Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

<- voriges Kapitel

nächstes Kapitel ->

Der Schlossberg

Schloss Mansfeld, einst Herrschaftssitz eines um 1050 erstmals urkundlich erwähnten und im Mannesstamm 1780 erloschenen gleichnamigen Grafengeschlechts, thronte hoch über der Stadt. Der Silberbergbau im Mansfelder Land hatte die Grafen reich und mächtig gemacht. Ein Hoyer von Mansfeld schlug sich als Heerführer für den salischen Kaiser Heinrich V. mit dessen späterem Nachfolger, dem Sachsen Lothar von Supplinburg, herum und fiel 1115 in der Schlacht am Welfesholze. Graf Albrecht III. von Mansfeld war Luthers Landesherr und ein Vorkämpfer der Reformation. Ernst von Mansfeld, ein unehelicher Spross des Geschlechts, brachte den Namen Mansfeld als Söldnerführer im 30jährigen Krieg schließlich in Verruf. Er mischte schon 1619 in Böhmen gegen Kaiser Ferdinand mit und kämpfte ohne religiöse oder politische Überzeugung um Kriegsgewinn und Beute. Wenn die Trommeln seiner Landsknechte dröhnten: “Der Mansfeld kommt, der Mansfeld kommt -”, war selbst der Wetterhahn auf dem Kirchturm seines Daseins nicht mehr sicher. Immerhin eroberte er Ostfriesland und schlug 1622 Tilly bei Mingolsheim, ehe ihm Wallenstein 1626 an der Dessauer Brücke  eine entscheidende Niederlage bereitete und ihn aus den Erblanden abdrängte. Auf dem Marsch nach Venedig kam er mit einem neu aufgestellten Heer bis in die Gegend von Sarajewo, nur um dort schliesslich ins Gras zu beißen.

   Der Schlossberg war ein idealer Spielplatz. Während der größte Teil der gewaltigen Festung im Laufe der Zeit zu Ruinen verfallen war, hatten reiche Leute viel Geld investiert, um die romantische Vorderburg zu erhalten. Seinerzeitiger Schlossherr war der Rittmeister a. D. Baron von der Recke, der mit seiner Hünengestalt diesem Namen alle Ehre machte. Er war deutsch-national bis auf die Knochen und gehörte selbstverständlich dem "Stahlhelm" an.  Als der Führer dieses "Bundes der Frontsoldaten",  Theodor Düsterberg, 1933 auf Druck der Nazis abgesetzt wurde, gab der Baron einem beliebten Ruheplätzchen am Schlossberg mit einem unübersehbaren Holzschild trotzig den Namen "Düsterberg-Platz".

    Zu seinem Kummer hatte er sechs Töchter, aber keinen einzigen Sohn. Die jüngste Tochter wurde deshalb wie ein Junge erzogen, und Bolle ihr als Spielgefährte beigegeben. Gemeinsam erforschten sie die schaurigen Gewölbe unter den Ruinen der Burganlage und jenen, von Mansfelder Knappen erbauten  geheimnisvollen Tunnel, der von Mansfeld bis nach Eisleben führte. Der scheunentorgroße Eingang im Schlosshof  war zugemauert, aber innerhalb und außerhalb des Ruinengeländes war die Decke stellenweise eingestürzt, so dass der geheimnisvolle Gang sehr wohl betretbar und auf weite Strecken begehbar war. Die Verteidiger der Festung konnten einst nicht ausgehungert werden. Der Legende nach schafften im Ernstfall Fuhrwerke die benötigten Lebensmittel unter der Erde aus Eisleben heran.

      Die Frau Baronin war eine feine Dame, die auf Etikette hielt. Bei ihr nahm Bolle seinen ersten Fünfuhrtee ein, zu dem der livrierte Butler Toast mit Butter und Marmelade oder Honig sowie Feingebäck servierte. Geröstetes Weißbrot hatte er zuvor noch nie gegessen. Die Mutter hielt Weißbrot für ungesund und legte höchstens mal eine Scheibe Graubrot auf die Herdplatte.

 

   

<- voriges Kapitel

nächstes Kapitel ->