Der Mansfeld kommtErinnerungen an Krieg und FriedenAutor: Helmut Bollmann
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Die KriegsschuleZiel des Unterrichts auf der Luftkriegsschule in Berlin-Gatow war die Ausbildung zum Truppenoffizier, letztendlich also zum Kompanieführer. Für die Fallschirmjäger, die ja nur wenig mit der eigentlichen Fliegerei zu tun hatten, stand dabei Erdtaktik im Mittelpunkt, die folgerichtig von einem Oberstleutnant der Infanterie gelehrt wurde. Daneben gab es unter andern die Fächer Lufttaktik sowie Kriegsgeschichte von Hannibal bis Clausewitz. Gründliche Kenntnisse der Heeresdienstvorschrift wurden vorausgesetzt. Als Zugabe lernte Bolle Kartoffelschälen. Zum Mittagessen gab es grundsätzlich Pellkartoffeln. Dem Klassenlehrer am Kopfende der Tafel wurden sie stets geschält serviert, vor den Schülern dampften sie in großen Schüssel - ungeschält. Damit waren alle Voraussetzungen für einen Wettlauf mit der Zeit gegeben. Das Mahl begann mit dem "Guten Appetit" des Offiziers und endete unwiderruflich, wenn er seine Serviette faltend "Mahlzeit" sagte und sich erhob. Wer außer ihm seinen Hunger stillen wollte, musste sich also beim Schälen der heißen Kartoffeln verdammt beeilen. Erst am vierten Tag wurde Bolle so richtig satt. Bolles Stubenkamerad, mit dem er gemeinsam paukte und Streifzüge durch die Reichshauptstadt unternahm, war ein gewitzter Bursche von der Artillerieabteilung der Division, der sich von keinem die Butter vom Brot nehmen ließ. Das sollte lange nach dem Krieg sogar ein Verteidigungsminister erfahren, der willkürlich mit ihm umspringen wollte und darüber stürzte. Er war ebenso wie Bolle Journalist geworden und nach seiner Tätigkeit bei einem Hamburger Nachrichtenmagazin einige Jahre Regierungssprecher und Bundestagsabgeordneter in Bonn. Unterricht in den Obliegenheiten eines Kompanieführer im alltäglichen Dienstbetrieb wurde selbstverständlich auch erteilt. Wie wird eine Kleider- oder Waffenkammer kontrolliert, wie werden die Verpflegungsbestände überwacht, et cetera, et cetera. Zur Aufrechterhaltung der Disziplin war ein Kompanieführer befugt, eine Freiheitsstrafe bis zu drei Tagen bei Wasser und Brot zu verhängen. Das Urteil sollte kurz und bündig sein und einschließlich der Begründung möglichst nur aus einem Satz bestehen. Als beispielhaft galt folgender Straftenor: "Ich bestrafe den Obergefreiten Müller mit drei Tagen geschärftem Arrest, weil er, bei einer Nachtübung in einen Haufen Exkremente tretend und wohlwissend, dass es sich um die seines Kompaniechefs handelte, in den Ruf ausbrach: 'Welches Schwein hat denn hierher geschissen' ". Bei den Abschlussprüfungen im Hauptfach Erdtaktik ging es, wie beim Kommiss allgemein üblich, nach dem Abc. Bolle war nach seinem Stubenkameraden Ahlers geprüft worden, tuschelte mit ihm und wähnte alles glücklich überstanden. Nur mit einem Ohr und einem halben Auge kriegte er mit, dass der derzeitige Prüfling mit seiner durch einen Panzerjägerzug verstärkten Kompanie eine bestimmte Landenge der Mecklenburgischen Seenplatte verteidigen und seine Truppe auf einer an einem Gestell hängende Landkarte in günstigster Stellung einsetzen sollte. "... schön, schön," meinte der Taktiklehrer, "aber die Sache mit den Geschützen gefällt mir nicht. Was sagt denn unser Fachmann von den Panzerjägern dazu? Wo würden Sie in Stellung gehen?" Bolle war angesprochen und blickte ratlos auf die Karte. Dann riss er sich zusammen, deute auf drei Punkte im Gelände: Hier, und hier und hier! "Aber da stehen Sie ja weit v-o-r der Infanterie." "Die Pak steht nicht zu weit vorn, Herr Oberstleutnant, die Infanterie steht zu weit hinten." Der die Prüfung abnehmende General der Flieger(!) nickte beifällig. Der Oberstleutnant vom Heer tat es ihm nach - mit säuerlicher Miene. Der Hase war noch einmal davongehoppelt |
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