Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

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Der Irrtum

   Bolles Zug bildeten wieder die Nachhut. Vom Friedhof am Ortseingang des Dorfes auf  dem Bergbuckel war das Gelände nach Süden zu weithin überschaubar. Drunten im Tal reparierten feindliche Pioniere die gesprengte Brücke. Das konnte noch eine ganze Weile dauern. Die Kanonenrohre ragten durch Schießscharten in der Friedhofsmauer, die Richtschützen hatten die Baustelle im Fadenkreuz. Bei Fliegerangriffen boten steinernen Gruften beste Deckung. Der Gegner war auf der Talstraße gefolgt. Mit den drei Panzern, die da querfeldein über den Gegenhang kamen und jetzt auf halber Höhe hielten, hatte kein Mensch gerechnet. Die Besatzungen waren ausgestiegen  und machten offenbar in aller Gemütsruhe Rast.

   "Warum schießt ihr nicht?" fragte der Kommandeur des Bataillons, dem der Panzerjägerzug unterstellt war. "Sind die noch zu weit weg?"

"Das nicht, Herr Major, aber ich kann sie dort im Gestrüpp noch nicht einwandfrei erkennen."

"Wer kann das schon sein, Sie Scherzbold. Los, zeigt mal, was ihr könnt!"

   Bolle wies den beiden anderen Geschützen ihr Ziel zu, hinter das Zielfernrohr des ersten Geschützes kniete er sich selbst. Alle drei Panzer wurden praktisch gleichzeitig außer Gefecht gesetzt.

Die Besatzungen mit Sprenggranaten unter Feuer zu nehmen, erwies sich als unnötig: die Männer liefen wie die Hasen, zuerst bergab und dann bergauf - in Richtung Friedhof. Sie mussten seinen Leuten direkt in die Arme laufen.

"Die nehmen ihre Stellung auch ohne Panzer im Sturm", witzelte der Major, doch dann verging ihm das Lachen. Im Näherkommen waren deutsche Uniformen zu erkennen. Bolle hatte - wenn auch auf Befehl - mit seinen Männern zur Abwechslung mal drei deutsche Panzer vernichtet. Das war mehr als peinlich - die neuen Kreideringe um die Kanonenrohre - jeder Ring bedeute einen Abschuss -  wurden schnell wieder abgewischt.

   Viel später wurde den Vorschriften gemäß eine kriegsgerichtliche Untersuchung des Zwischenfalles eingeleitet. Der  Major und Bolle fuhren gemeinsam zur Verhandlung. Da es lediglich ein paar Leichtverwundete und keine Toten gegeben hatte, war niemand daran interessiert, aus der Episode eine Affäre zu machen. Der Materialverlust wäre so oder so eingetreten, weil die Panzer spätestens an der in Feindeshand befindlichen Brücke am Ende gewesen wären. Der Leutnant vom Heer sagte aus, er habe sich im Verlauf des Rückzuges mit seinen drei Panzern verirrt. Während eines Orientierungshaltes habe er am Friedhof eine Stellung erkannt, die er zunächst für eine feindliche gehalten habe, und seinerseits das Feuer eröffnen wollen. Selbstverständlich war dieser Blödsinn vorher abgesprochen, aber den Vorschriften war damit Genüge getan, die Sache wurde niedergeschlagen. Alle waren aus dem Schneider

 

   

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