Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

<- voriges Kapitel

nächstes Kapitel ->

Die "Lady"

   Nach dem Erwerb einer Eigentumswohnung im Kur- und Sporthotel Hindelang anno 1971 (Bild: Blick vom Balkon) verbrachte Bolle seine Urlaubstage mit schöner Regelmäßigkeit im Allgäu. Meist fuhr er über Neujahr dorthin und selbstverständlich auch im Herbst zur Viehscheid. Bolle besaß dort nämlich eine Kuh, die er "Lady" getauft hatte. Alle Kollegen, die in der Hindelanger Wohnung Urlaub machten, konnten sich bei dem Nebenerwerbsbauern, bei dem sie untergestellt war, täglich frische Milch von der "Lady" holen. 

   Als Bolle seine "Lady" erwarb, hatte es längst Mitternacht geschlagen. Er saß am Stammtisch der "Post" und äußerte sich begeistert über die prachtvollen Allgäuer Rindviecher.

   "Warum schaffst du dir nicht selber eine Kuh an?" fragte einer der Zecher und fügte hinzu: "Gleich nebenan beim Sepp steht das schönste Kalb von Hindelang im Stall."

Ein anderer bestritt das, er habe schon schönere gesehen, meinte er. Nach einigem Hin und Her machte sich die gesamte frohe Runde auf, um sich selbst ein Urteil zu bilden.

    Es war Liebe auf den ersten Blick. Bolle sah das Kalb und sagte "Oh", das Kalb sah ihn und sagte "Muh". Der Handel war schnell mit Handschlag besiegelt: Bolle gehörten das Kalb und alle weiblichen Nachkommen, der Bauer konnte die kleinen Stiere behalten. Außer dem Preis trug Bolle eventuelle Tierarztkosten und die Versicherungsprämie. Der Bauer würde das Tier pflegen und dafür die Milch behalten, bis auf die paar Liter, die Bolle und seine Gäste vielleicht trinken würden. Zur Schlachtbank geführt werden durfte das Tier nicht. Es würde auch im hohen Alter das Gnadenbrot erhalten.

Es war ein faires Geschäft, der Bauer war zufrieden.

   Als die "Lady" zum ersten Mal auf die Alm zog, kaufte Bolle ihr zwei Glocken, eine für den Alltag in den Bergen und die zweite - ein großes, wundervolles Schmuckstück - für den festlichen Heimweg im Herbst. Bei der Viehscheid trug die "Lady" voller Stolz einen Kranz mit Krone. Sie war von den Hirten sozusagen zur "Miss Hindelang" gekürt worden. Bolle kostete diese Ehre einen Batzen Geld, aber für seine "Lady" war ihm nichts zu teuer. Die Miteigentümer des Kur- und Sporthotels hielten ihn seit dem "Kuhhandel" sowieso für verrückt. Immerhin war er jetzt Haus- und Viehbesitzer im Allgäu und durfte als solcher in der Gastwirtschaft seinen Hut aufbehalten.

  

   

<- voriges Kapitel

nächstes Kapitel ->