Die Springerschule
Der nächste Weg führte zur Springerschule
nach Wittstock an der Dosse, wo er als erstes seine Heeresklamotten gegen
eine Uniform der Luftwaffe umtauschen musste. Anschließend erfolgte die
Ausgabe der Springerausrüstung: Springerhose, Springerstiefel, Springerstahlhelm,
Kappmesser und der berühmte Knochensack, - Vorläufer der modernen Kampfanzüge.
Der Fallschirm lag noch auf der Kammer
und wartete darauf, von seinem neuen Besitzer zum ersten Mal gepackt
zu werden.
Die Ausbildung war vielseitig und strapaziös,
machte aber großen Spaß.
Beim Üben des richtigen Fallens - der
gekonnte Fall war das A und O der Geschichte - wurde man unter anderem
mit einem Flaschenzug, an einem Karabinerhaken in Fallschirmgurten hängend,
bis unter das Hallendach hochgezogen, in einen kreisenden Pendelschwung
versetzt und im möglichst ungünstigsten Moment ausgeklinkt. Dabei lernte
man, sich wie eine Katze in der Luft zu drehen und mit federnden Knien
sicher zu landen.
Wer es dabei versäumte, die Fußknöchel
fest aneinander zu drücken, war selber schuld. Denn wenn die Fußsohlen
nicht auf gleicher Höhe waren, brach bei hoher Fallgeschwindigkeit gewöhnlich
zunächst das eine Bein weg und Sekundenbruchteile später das andere.
"Rolle vorwärts" und "Rolle
rückwärts" wurden praktisch Tag und Nacht geübt. Nur eine solche
Schulterrolle ermöglichte das Aufstehen, wenn der Schirm noch nach der
Landung von einem kräftigen Wind aufgebläht wurde und den Springer hinter
sich durch das Gelände schleifte.
Sich aus solcher Lage zu befreien, lernte
der Springer mittels eines "Windesel", einer ausgedienten JU-52,
der man die Flügel gestutzt, den Mittelmotor aber belassen hatte. Weitere
Hilfsmittel waren ein eigens zu diesem Zweck angefertigter "Schleifanzug"
aus dickem Leder und ein alter Fallschirm. Wenn dieser vor dem laufenden
Motor entfaltet wurde, verging dem daran hängenden Mann Hören und Sehen.
Mit einem gewaltigen Ruck wurde er über den Boden gerissen, bis es ihm
gelang, das Bündel der Fangleinen mit beiden Händen zu packen und sich
mit Hilfe der Rolle vom dahintreibenden Schirm auf die Füße ziehen zu
lassen.
Der Rest war ein Kinderspiel. Der Schirm
wurde im Spurt umlaufen und sackte in sich zusammen.
Lebenswichtigster Teil der Ausbildung
war das Fallschirmpacken.
"Jeder Springer packt seinen Fallschirm
selbst", lautete eine eiserne Regel der Truppe, die auch für Offiziere
bis hinauf zum General galt.
Packen wurde unter strenger Aufsicht geübt,
Falte für Falte und Sicherheitsfaden für Sicherheitsfaden, so lange, bis
jeder Handgriff im Schlaf saß. Schon beim Schein einer falschen Fingerbewegung
hieß es "Hüpfen". Den etwa 20 Meter langen Packtisch in tiefer
Hocke mit vorgehaltenem Fallschirm hüpfend zu umrunden, - das war kein
Kinderspiel.
Endlich stand der erste von sechs Pflichtsprüngen,
die für den Erwerb des begehrten Fallschirmjägerabzeichens erforderlich
waren, auf dem Dienstplan. Der erste erfolgte aus 250 Meter Höhe und war
ein beglückendes Erlebnis.
Zum ersten Mal in seinem Leben saß er
in einem Flugzeug und sah die Welt bei strahlendem Sonnenschein aus der
Vogelperspektive. Einfach phantastisch!
Viel zu schnell kam der Befehl "Aufziehleinen
einklinken!" Ein Ausbilder überprüfte blitzschnell die Karabinerhaken,
und dann ging alles ruck zuck. Kaum an der offenen Tür angekommen gab
ihm der Absetzer auch schon den traditionellen Schlag in den Rücken.
Beim eigentlichen Absprung war es wichtig,
im Türrahmen fest verkrallt in eine leichte Hocke zu gehen, sich kräftig
mit den Füßen abzustoßen und in Richtung Eisernes Kreuz auf der Tragfläche
zu hechten. Wer nur zögerlich sprang und deshalb nicht genügend Abstand
von der Maschine gewann, musste damit rechnen, dass sich sein Fallschirm
im Leitwerk verhedderte und er bei der Landung der Maschine zu Tode geschleift
wurde. Solche Unfälle kamen vor, doch wurde nur ungern darüber gesprochen.
Tröstend hieß es, man werde noch in der Luft ohnmächtig und spüre nichts
mehr.
Die nächsten Absprünge erfolgten aus
immer geringeren Höhen. Beim fünften zeigte der Höhenmesser nur noch 100
Meter an. Bei solch geringen Höhen pendelt man nicht mehr richtig aus
und weiß dann aus eigener Erfahrung, warum Fallen und Abrollen so ausdauernd
geübt wurden.
Den krönenden Abschluss bildete ein
Nachtsprung, bei dem weder Ort noch Höhe bekanntgegeben wurden. Der Flug
währte eine halbe Ewigkeit. Die Maschine musste bereits über der Umgebung
von Schwerin kreisen , - oder vielleicht über Magdeburg?
Es war stockdunkel, und
er fiel irgendwo ins Nirgendwo. 
Endlich - die Erde. Nein, doch nicht.
Ein einfach scheußliches Gefühl!
Urplötzlich der Schatten eines Schattens,
- aber da lag er auch schon auf der Schnauze.
Scheinwerfer flammten auf und beleuchteten
das Gelände.
Jetzt wusste er wieder, wo er war - auf
dem gewohnten Sprungfeld in Wittstock an der Dosse.
(Ein Klick rechts auf den Mini-Fernseher
zeigt Ihnen in einem kleinen Filmchen Fallschirmjäger beim Sprung)
|