Der Mansfeld kommtErinnerungen an Krieg und FriedenAutor: Helmut Bollmann
|
Der Heimatschuss Bolle fuhr zunächst nach Hause zu den überglücklichen Eltern und drei Tage später nach Brünn zu einem Mädchen, von dem er als unbekannter Soldat in Russland ein Päckchen erhalten hatte. Daraus hatte sich ein reger Briefwechsel entwickelt, dem nun eine persönliche Begegnung folgen sollte. Hedy war eine gebürtige Hamburgerin, deren Vater es als Zollfahnder ins "Protektorat" verschlagen hatte. Beide fanden Gefallen aneinander und heirateten drei Jahre später. Dazwischen lagen lange Briefe, einige weitere Urlaubsbesuche in Brünn und 1944 schließlich ein Treffen in seiner Heimatstadt, von dem die inzwischen mit ihm Verlobte wegen der immer bedrohlicher werdenden Kriegslage nicht mehr nach Mähren zurückkehrte. Zurück bei der Truppe erwartete ihn eine weitere erfreuliche Überraschung: er durfte sich für drei erlebnisreiche Wochen ins Luftwaffenerholungsheim nach Ospedaletti an der Riviera begeben. Das "Heim" entpuppte sich als das örtliche Grandhotel, in dem Bolle ein fürstliches Einzelzimmer erhielt, mit Bad selbstverständlich. Das massige, breite Messingbett war von einem großen Moskitonetz überspannt und wurde zweimal täglich vom Etagenkellner gemacht. An diese mückensichere Schlafstätte musste Bolle denken, als er 1943 am Stadtrand von Battipaglia bei Salerno in einer Kanalröhre nachts Schutz vor dem Schiffsgeschützfeuer der feindlichen Landungsflotte suchte und dabei von den dort heimischen Moskitos praktisch erstochen wurde. Kaum in Ospedaletti angekommen. hielt er nach einem guten Essen seinen ersten Mittagsschlaf, dummerweise nicht in diesem himmlischen Bett, sondern am steinigen Strand. Beim Erwachen glaubte er, noch immer zu träumen: die Sonne brannte vom Himmel herunter, und er fror dennoch wie ein Schneider. Ein grässlicher Sonnenstich hatte ihn reif gemacht fürs Krankenrevier. Das Traumbett blieb fünf Nächte leer. Bolle war kein schlechter Schwimmer und einst sogar Meister seiner Schule im Streckentauchen, aber in der zweiten Erholungswoche wäre er dennoch beinahe durch Ertrinken aus dem süßen Leben an Italiens Mittelmeerküste geschieden. Bei Windstille und schönstem Wetter herrschte am frühen Morgen starke Dünung, die zum Hineinstürzen verlockte, aber die Rückkehr ans sichere Ufer schier unmöglich machte. Jedes Mal wenn er sich im Flachen aufrichten wollte, rollten die Kiesel mit dem abfließenden Wasser unter seinen Füßen weg und platsch lag er wieder auf der Nase. Die nächste Welle schlug über ihm zusammen, und das Spiel begann von neuem - fünf Minuten, zehn Minuten, fast bis zur Erschöpfung. Zehn Meter weiter am Strand lachten ein paar Leute und hatten ihren Spaß an dem Komiker im Wasser - kein Mensch erkannte die Gefahr. "Bleib weg vom Ufer", sagte er sich, "so geht das nicht. Vielleicht kommt ein Boot." Aber wann kommt schon ein rettendes Boot, wenn man es dringend braucht? In einem Film mit happy end vielleicht, aber nicht jetzt und hier in Ospedaletti. Da gab es zwar ein paar Kähne, doch die lagen zu dieser frühen Stunde alle noch auf dem Trocknen, wo er auch gern gesessen hätte. Das Wort "Auf dem Trockenen sitzen" hatte in dieser Situation seine negative Bedeutung verloren. Rettung brachte schließlich eine etwa 500 Meter entfernte Landzunge. An deren Spitze teilten sich die Wogen erkennbar. Also, nichts wie hin. Und tatsächlich, dort ließ sich der lächerliche, aber auf die Dauer tödliche Kreislauf endlich durchbrechen. Die letzte Urlaubswoche ging ohne besondere Vorkommnisse zu Ende. Es wurde auch Zeit. Die Nächte im benachbarten San Remo waren lang, und der Geldbeutel trotz eines väterlichen Zuschusses ziemlich leer |
|