Der Mansfeld kommt

Erinnerungen an Krieg und Frieden

Autor: Helmut Bollmann

 

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Der Schnapshändler

Zum Tauschen auf dem Schwarzmarkt hatte er nichts, also beschloss er, in den Schnapshandel einzusteigen. Die GIs waren während ihres abendlichen Ausgangs immer auf der Suche nach Alkohol, für den sie nicht nur in Zigaretten, sondern auch in Besatzungsdollars zahlten, mit denen man praktisch alles kaufen konnte, was auf dem Schwarzmarkt zu haben war. Also nutzte Bolle seine dienstfreien Wochenenden für Ausflüge in die sowjetische Besatzungszone, wo gelegentlich Nordhäuser Korn zu haben war, den die Mutter in Mansfeld fleißig für ihn hamsterte.

   Den Weg über Wanfried und Lengefeld kannte er ja. Droben auf dem "Stein" bewachten Russen die Grenze, aber die nahmen es nicht so genau. Man musste nur lange genug in Deckung bleiben und die nächste Streife vorüberziehen lassen, dann konnte man in aller Ruhe zum Bahnhof gehen. Einmal lief es aber doch um Haaresbreite schief. Die Russen hatten einen Hund dabei, der Witterung aufgenommen hatte und den unmittelbar  vor dem Grenzweg im Gebüsch liegenden Bolle verbellte. Glücklicherweise störte das Gekläff und Gezerre die beiden Grenzsoldaten in einem offenbar hochinteressanten Gespräch: der Hund wurde mit einem kräftigen Ruck an der Leine zurückgerissen und streng zur Ordnung gerufen. -

   Auf seinen "Geschäftsreisen" in die Sowjetzone wagte er sich allerdings nur bis Sangerhausen. Dort übernahm er von seiner Frau drei oder vier Flaschen Korn und übergab ihr seinerseits Schokolade, Pralinen und andere Mangelwaren. Schließlich holte er die Familie in den Westen und mußte damit den Schnapshandel ebenso aufgeben wie das gemütliche Zimmer in der Marktstraße; das war für eine dreiköpfige Familie viel zu klein. Sie wurden in die Wohnung eines Hausbesitzers in der Dünzebacher Straße eingewiesen, der zu seinem Missvergnügen sein großes Esszimmer abtreten musste. Das mit diesem Raum durch eine verglaste Schiebetür verbundene Wohnzimmer durfte der Malermeister behalten, zudem noch Schlafzimmer und Küche. Die Toilette war von beiden Parteien zu benutzen, ein Bad gab es nicht. Vor der vernagelten Schiebetür stand ein Kleiderschrank, daneben ein kleiner Kohleherd. Zum Mobiliar zählten ein Tisch, drei Stühle ein Bett und ein Gitterbett, das ihm die vorige Hauswirtin geschenkt hatte.

   Bolle schränkte die Raucherei erheblich ein und tauschte bei den Bauern der Umgebung Ami-Zigaretten gegen Lebensmittel. Gelegentlich zog er mit dem Friseurgehilfen im 1. Stock spät abends zur nächsten stillgelegten Kiesgrube an der Werra und kam - wenn sie Glück hatten - im Morgengrauen mit ein paar Aalen zurückkehrte.

Man schlug sich halt so durch.

   Eines Tages sagte der Lieutenant: "Wir bleiben ja nicht ewig hier. Ein Dauerjob ist das nicht. Hier wird demnächst eine Zeitung aufgemacht. Wäre das nichts für Sie?" -

"Eine Zeitung? Was soll ich da? Davon habe ich doch keine blassen Ahnung."-

"Das machst nichts. Die Leute, die etwas davon verstehen, haben wir alle eingesperrt. Die das jetzt machen, haben alle keine Ahnung."

Als Bolles Frau später von einer wohlmeinenden Bekannten den gleichen Tip bekam, überwandt er schliesslich alle Hemmungen und  machte sich tatsächlich auf den Weg in den Journalismus.

   

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