Der Mansfeld kommtErinnerungen an Krieg und FriedenAutor: Helmut Bollmann
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Das Haus Das Wohnzimmer allein war 50 Quadratmeter
groß und sollte neben der gläsernen Terrassentür und einem hochliegenden
Buntglasfenster über der Essecke ein vier Meter breites Panoramafenster
erhalten. Bolle war eigens mit dem Winkelmesser tätig geworden, um festzustellen,
wie weit die Frontmauer an dieser Stelle schräg nach innen unters Dach
gezogen werden musste, damit die tiefstehende Wintersonne ins Zimmer schien,
nicht aber die hochstehende, knallende Sommersonne. Es war der reinste Größenwahn - einerseits. Andererseits - wenn schon, denn schon. Er setzte auf Inflation. Auf Inflation, ob galoppierend oder nur schleichend, war immer Verlass. Eines Tages, so glaubte er, würde er die aufzunehmende Hypothek aus der Westentasche zurückbezahlen. In diesem Punkt irrte er sich, von der "Westentasche" mal abgesehen, nicht. Ein technischer Zeichner im Bekanntenkreis fertigte eine ordentliche Bauzeichnung an, ein ferner Verwandter berechnete die Statik - alles bestens, für'n Appel und 'n Ei. Mit diesen Unterlagen rückte Bolle dem Schwiegervater des Schulkameraden in Vockenhausen auf die Pelle. Der Baumeister winkte gleich ab: "In diesem Jahr nicht mehr, mein Junge. Und im nächsten auch nicht. Ich bin mit Aufträgen zugedeckt bis hierher." Und dabei hielt er sich die flache Hand über den Kopf. "Aber Sie sollen das Haus doch gar nicht bauen, ich brauche nur ihre Unterschrift." - "Ach so, warum sagst du das nicht gleich", meinte der vielbeschäftigte Handwerksmeister und versah den Plan mit Firmenstempel und Namenszug. Nach zehn Wochen hatte Bolle seine Baugenehmigung vom Bauamt. Er ließ den im Winter bodenlosen Feldweg bis zu seinem Grundstück mit Schotter befestigen - dann konnte es losgehen. Die Facharbeiter schafften für drei Mark die Stunde, die Handjer für 2,50 Mark. Bolle saß auf einem Steinhaufen und lernte viel beim Zuschauen. Er hatte die Parole ausgegeben: "An zwei Sachen wird nicht gespart, erstens an Zement und zweitens an Bier." Jeder konnte trinken, soviel er wollte. An manchen Tagen schufteten der halbe Turnverein und die Sportschützen auf der Baustelle. Einzige Firma am Bau war der Schreiner. Der Zimmermann, ein anderer entfernter Verwandter, kam mit den zugeschnittenen Balken aus Marburg. Zum Richtfest kam das halbe Dorf. Es war fast wie bei der Kerb, nur das Karussell fehlte. Im Februar hatten sie angefangen, im November war das Haus bezugsfertig. |
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